Mittwoch, 24. Mai 2017

Es ist vollbracht



Ja in der Tat, wir haben es geschafft. ICH habe es geschafft! Mein lieber Herr Gesangsverein war das alles in allem eine aufregende Zeit. Ach was sag ich da? Vermutlich beginnt die ganze Aufregung gerade erst 😊

Geboren ist die kleine Carla Louise (gesprochen: Luis) Simon am 23.4.2017 um 16:06Uhr mit 3800g und 52cm im Beijing United Family Hospital. Sie kam zwar 8 Tage verspĂ€tet, hat sich dafĂŒr aber ein cooles Datum ausgesucht -234-. Da wir ja damit gerechnet hatten, dass sie eher zu frĂŒh kommt, haben wir tatsĂ€chlich etwa 4 Wochen wartend in Peking verbracht
und es tat sich so gar nichts. Ich meine partout nichts. In Worten: Null Komma nix. Ich konnte auch ĂŒberhaupt nichts abschĂ€tzen, doch das war schon bei Mathild der Fall. Von 0 auf 100 in unter 24 Stunden. Ich wollte noch fix zum Schuhe kaufen auf den Pearlmarket und dann darfs gern losgehen.

Und so ist es auch geschehen. Schon auf dem RĂŒckweg vom Markt setzte ein ominöses Ziehen ein. Something is happening! Na wer sagts denn? Also wieder fix nach Hause, letzte Vorbereitungen treffen, Familie und Freunde in Angst und Schrecken versetzen, bissl schlafen und erholen und dann ging es am nĂ€chsten Morgen nach einer ausfĂŒhrlichen Duschung um 7Uhr auch schon ins Krankenhaus. Die Wehen waren schon sehr knapp hintereinander und ich wollte auch nicht so elendich zu Haus vor mich hin wehen. Also an der Rezeption nach einem Taxi gefragt und mit Ehemann und Krankenhaustasche ab die Post. 
Meine grĂ¶ĂŸte Sorge war also unbegrĂŒndet, denn sonntags frĂŒh um 7Uhr ist die Straße frei und die Fahrer willig. Also, wie geplant, ab in die Notaufnahme und rauf zum Kreißsaal. Hier wurde ich schon freundlich erwartet. Abwechselnd konnte ich im Stehen, Sitzen, Hocken oder sonst wie dieser schmerzvollen Phase begegnen. So quĂ€lten wir uns (ja, der Stefan, mein kleiner Trabant, musste mir stets folgen und den RĂŒcken massieren, wenn wieder eine Wehe kam) etwa 3Stunden, bis mich die Hebamme erneut fragte, ob ich eine PDA wolle und ich zustimmte. „Nearly all“ der GebĂ€renden nehmen diesen anĂ€sthetischen Service in Anspruch und nun auch ich. 

Der AnĂ€sthesist kam keine 5 Minuten spĂ€ter (hat der möglicherweise schon gelauert?) ins Zimmer. Besonders entspannt sah der nette chinesische Arzt nicht aus. Schön ist es auch, wenn jemand im Begriff ist sehr prĂ€zise eine riesige Nadel in PatientenrĂŒcken zu stechen und ein unĂŒbersehbares Fingerzittern aufweist. Doch seine Handgriffe hat er wiederholt kontrolliert und alle Utensilien ĂŒberaus grĂŒndlich vorbereitet. Ob ich das nun gut finde oder nicht, frag ich mich in der Tat erst jetzt
 Vielleicht war ich ja seine erste Patientin? Egal, er hat seinen Job letztlich gut gemacht. Ich durfte meinen wuchtigen Körper auf die Seite rollen, Beine anziehen und abwarten. Kurze BetĂ€ubung bevor die große Nadel kommt, nochmal stillhalten und fertig. Anschließend wurde ich noch mit Kreppband mumifiziert, um auch ja jegliches Verrutschen auszuschließen. Als er seine sieben Sachen weggerĂ€umt hatte, war ich auch schon betĂ€ubt. Nicht nur, dass das Zeug eine Art Grunddosierung hat, ich hatte auch einen formschönen DrĂŒcker ausgehĂ€ndigt bekommen, der mir ermöglichte die BetĂ€ubung selbst zu rationieren. Im Parkinsonmodus hab ich erstmal die volle Dosis genossen und zum Ende hin selbst rationiert, um wieder bissl GefĂŒhl in meinem Körper zu erlangen.
Man merkt schon noch die Wehen, aber eher wie durch ein Kissen – ist defintiv auszuhalten. Aufstehen war natĂŒrlich keine Option mehr, aber gut, ich hatte eh einen Katheter bekommen und nun kommts: wĂ€hrend der restlichen Eröffnungsphase einen Film auf dem Handy geschaut. Die letzten Minuten vor dem großen Sturm zu zweit mit Cola und Popcorn genießen – doch die waren leider nicht erhĂ€ltlich im Krankenhausshop😊
 
Leider hat die PDA auch die Wehen etwas beeinflusst, sodass mein Fortschritt die Hebamme nicht ganz glĂŒcklich machte. Also wurde auch Carlas Fruchtblase angepiekst und siehe da: auf geht’s. Und zwar gewaltig! Kurze Zeit darauf erschien die nette Dame erneut und verkĂŒndete: „it’s ready now“! Wie bitte? Was hat sich verĂ€ndert? DafĂŒr fehlte mir nun ein bisschen das GefĂŒhl, was ich als einzigen negativen Aspekt gesehen habe. Egal. Ich wurde komplett steril in TĂŒcher gehĂŒllt, Beine aufrichten und von jetzt auf gleich pressen. 27 Minuten und schon hatte ich eine kleine Mini-Mathild auf der Brust! Was fĂŒr ein schönes DĂ©jĂ -vu!

So, dann appi kalappi das Kind gecheckt, Mutti inspiziert, Klarschiff machen und alle bezahlten KrĂ€fte verließen innert 30 Minuten ihren Einsatzort und wir hatten viel, viel Ruhe. Fast schon ein bisschen zu viel! Nach ca. 3 Stunden hat dann Stefan mal nachgefragt, ob ĂŒberhaupt noch eine Verlegung auf die Wochenbettstation angedacht ist. Mir wurde es nĂ€mlich dann doch bissl langweilig
Durch die PDA war ich nĂ€mlich ruck zuck wieder fit, Carla wollte ja nur schlafen und Film gucken, war irgendwie unangebracht. So durfte ich dann mein Plunder einsammeln und samt Kind hochgehen und mein neues Zimmer beziehen. Hier blieb ich bis Dienstag. Um vor allem noch ein bisschen die Ruhe zu Zweit zu genießen. Schließlich wurde ich im Krankenhaus tatsĂ€chlich behandelt wie in einem Hotel. Das Personal war sehr rĂŒcksichtsvoll, diskret und vor allem freundlich. Da kann so manche Einrichtung in Deutschland noch neidisch werden. Ich jedenfalls war vollumfĂ€nglich glĂŒcklich mit allem 😊

Da geht einem doch das Mutterherz auf
Zu Hause wartete neben einem Glas Sekt ein riiiiiiiiesiger Blumenstrauß und ein lebendiger Alltag auf mich. Man glaubt es kaum, aber deswegen bin ich schon frĂŒher nach Haus. Die kleine WundertĂŒte hat mir gefehlt und auch prompt alles wieder auf den Kopf gestellt vor Aufregung -herrlich!
(A propos WundertĂŒten: also Stillen ist ja noch immer so eine Kunst, deren AusfĂŒhrung so gar nicht meine StĂ€rke ist. Die erste Woche war der Horror. Zwei riesige, heiße Bomben, die aber dennoch das Kind nicht sĂ€ttigen
 So hab ich angefangen bissl Milch zuzufĂŒttern. Über kurz oder lang hab ich wirklich alle Optionen versucht diesen Prozess bissl in Wallung zu bringen (Pumpen, Bockshornklee, Malzbier, 
), aber was solls, nix zu machen.)

Parallel hat der Stefan einen Leihroller geschnappt und ist in Peking alle administrativen Wege gegangen. Es hieß zunĂ€chst die chinesische Geburtsurkunde zu ĂŒbersetzen, zu beglaubigen und zu legalisieren (glaub ich) und dann den Wust noch zur Botschaft zu schaffen, um einen Pass zu beantragen. Doch hier war der Haken. WĂ€hrend die ersten Schritte problemlos fast in einer Woche erledigt waren, nahm sich die Botschaft zwei Wochen!  Zeit, um ĂŒberhaupt erstmal einen Termin zu vergeben. 
Die Reisegruppe kehrt zurĂŒck
So haben wir nur noch fix die ersten Fotos auf Empfehlung bei einem sĂŒndhaft teuren Fotografen machen lassen >und stark bereut< und sind doch schon etwas frĂŒher wieder nach Changchun abgereist, hatten Oma im Schlepptau und damit eine wirklich, wirklich gemĂŒtliche Fahrt. Im Großen und Ganzen hab ich eh den Eindruck, dass die Benutzung von Verkehrsmitteln immer friedlicher wird, je Ă€lter Mathild ist. Sie schaut sich ein Buch an, bestaunt alle Krane und ZĂŒge in der Landschaft, isst oder kaspert mit ihren Sitznachbarn. 


Endlich zu Hause!!!

Eine entspannte Woche mit Oma als Hilfe lag vor uns -und die war auch nötig. Mensch was hab ich das genossen nicht abwaschen zu mĂŒssen, den Herd links liegen zu lassen und vor allem nicht rund um die Uhr den großen Wirbelwind zu bespaßen. In Peking hab ich die ersten beiden Tage tatsĂ€chlich im „Wochenbett“ verbringen können und auch zu Hause musste ich mein „Nest“ kaum verlassen. Genuss pur! 😊
So lief mein Alltag also erst allmĂ€hlich an. Erst musste Stefan wieder arbeiten (nach 15 Tagen parental holidays) und dann musste Mutti wieder zurĂŒck ins Land der FrĂŒhaufsteher. Und wers glaubt oder nicht, es klappt erstaunlich gut! Carla schlĂ€ft ja noch immer viel, trinkt bissl zu langsam, hat aber eh meistens Bedarf, wenn Mathild sowieso schlĂ€ft oder beschĂ€ftigt ist. Ich könnte eine geringfĂŒgige Menge mehr Schlaf bekommen, aber das ist echt nicht der Rede wert. Und sind wir auf dem Spielplatz, hab ich in komplizierten Aufmerksamkeitssituationen immer Hilfe erhalten. Mal findet sich jemand fĂŒr Carla oder Mathild spielt unter Aufsicht einer anderen Mutti weiter. Das ist in der Tat der aller-, allergrĂ¶ĂŸte Vorteil hier im Dorf! Auch hat sich Mathild wirklich zu einer großartigen und fĂŒrsorglich großen Schwester entwickelt. Irre, die kleine Dame ist jetzt schon die Große! Sie geht sehr achtsam mit Carla um und versteht tatsĂ€chlich hin und wieder, was ich mir denke. Erstaunlich! Auch das sprechen kommt so langsam in Fahrt, was natĂŒrlich unsere Kommunikation erheblich erleichtert. Eine Kiwi wird zu WiFi (hat ja auch kein Kabel), „pieksen“ steht fĂŒr Gabel und “Pfeife“ meint HĂ€nde waschen (Seife). Ziemlich cool und erfrischend einleuchtend 😊


Und damit verabschiede ich mich erst einmal wieder in den Alltag. Dieser Post hat sage und schreibe 7 AnlÀufe gebraucht, um vollendet zu werden.